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“Deutschland braucht mehr Crossdisziplinarität und ein Umdenken in der Förderkultur” – Expert*innen diskutierten über die Zukunft der biomedizinischen und biotechnologischen Forschung

An der Fachveranstaltung „Standortvorteil NRW – schnell & effektiv von der biomedizinischen Forschung in die Anwendung”, organisiert vom Gesundheitsregion KölnBonn e.V. und der Miltenyi Biotec B.V. & Co. KG am 23. August, nahmen zahlreiche hochkarätige Gäste aus Politik, Forschung, Wirtschaft, Gesundheitsversorgung sowie den sonstigen Bereichen im Cluster Medizin teil.   

In der der Firmenzentrale der Miltenyi Biotech in Bergisch Gladbach diskutierten Forscher*innen und Start-Up Gründer*innen mit Vertreter*innen aus Wirtschaft und Politik über die Frage, wie biomedizinische und biotechnische Innovationen und Start-Ups gefördert und der Weg von der Forschung in die Anwendung erleichtern werden könnte. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Vorstandsvorsitzenden des Gesundheitsregion KölnBonn e.V., Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Holzgreve, MBA. 

Dass die Politik durchaus das Potential der Life Science erkannt hat, betonte der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Andreas Pinkwart, und gab in seinem Impulsvortrag einen Überblick über die zahlreichen Förderprogramme und Initiativen des Landes NRW. “Die Landesregierung steht auf der Seite der Biotechnologie”, so Minister Pinkwart. Deswegen sei eine Veranstaltung wie diese für die Politik auch so wichtig, um direkt aus Forschung und Wirtschaft eine Rückmeldung zu Problemen und Hürden zu bekommen. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde schnell klar, dass es nicht nur Finanzspritzen braucht, um den Übergang von der Forschung in die Anwendung zu fördern, sondern auch mehr Flexibilität und Risikobereitschaft in der Förderkultur; eine Infrastruktur, die junge Forscher*innen und Start-Ups ohne Umstände nutzen können sowie mehr Crossdisziplinarität zwischen den Disziplinen. 

Stefan Miltenyi, Gründer und Geschäftsführer der Miltenyi Biotec B.V. & Co. KG, identifizierte zwei Hauptprobleme der biotechnischen Forschung in Deutschland: Zum einen Regularien wie das Gentechnik-Gesetz, das Innovationen verhindere und dazu führe, dass die Produktion von Biologicals nun im Ausland stattfinde, zum anderen einen Mangel an Durchlässigkeit und Flexibilität an den Universitäten – wodurch großes Innovationspotential verschenkt würde. Im Vergleich mit den USA sei hierzulande die Förderung von biotechnologischer und biomedizinischer Innovationen und Start-Ups umständlich, unflexibel und die Mentalität zu vorsichtig, so Miltenyi weiter. Diesen Eindruck konnte Prof. Dr. Schmid-Burgk von der UniKlinik Bonn (UKB) bestätigen: Er schilderte die schwierige Suche nach Förderung und Investoren für seinen Massentest für COVID-19 durch das von ihm entwickelte LAMP-Seq-Verfahren. Prof. Dr. Brossart und Frau Prof Dr. Heine vom UKB berichteten ihrerseits über die Schwierigkeiten, die gesetzliche Regularien für die Krebstherapie mit CAR-T-Zell Therapie mit sich bringe. Dr. Siok Tey von der University of Queensland and Royal Brisbane and Women´s Hospital schilderte, wie die australische Regierung biotechnologische Forschung mit einem Zukunftsfond fördere und stellte darüber hinaus die Wichtigkeit eines Dialogs zwischen Forschung, Wirtschaft, Politik und Bevölkerung hervor: Nur so könnten Ängste und Ressentiments, beispielsweise gegen die Gentechnik, abgebaut werden.   

Auch Pharmaunternehmen wie die Bayer AG haben das Potential von Biotech und Biomedizin erkannt: Frau Dr. Schulte, Leiterin des Bereichs Zell- und Gentherapie berichtete von den Aktivitäten und Investitionen der Bayer AG in diesem Segment und machte deutlich, dass es wichtig sei, durch die Bereitstellung von Freiräumen das kreative Potential von Biotech-Firmen auch innerhalb eines Großkonzernes zu bewahren. Sie betonte ebenfalls die Wichtigkeit der Crossdisziplinarität in Forschung und Entwicklung und rief Biotech-Start-Ups dazu auf, nicht aufzugeben: “Lassen Sie sich von den Zögerern nicht ins Bockshorn jagen!” 

Dr. Boris Stoffel, Geschäftsführer der Miltenyi Biotec B.V. & Co. KG, formulierte vier konkrete Forderung, um die biotechnologische und biomedizinische Szene in Deutschland zu fördern – und international zum Standortvorteil zu machen: Erstens müssten vielmehr Labore und Räume für junge Forscher*innen und Start-Ups bereitgestellt werden. Zweitens braucht es eine andere Förderkultur, auch Privatiers und Investoren müssten risikofreudiger werden und mutiger in neue Ideen und Techniken investieren. Drittens müsste Deutschland wieder attraktiv werden für Biotech-Firmen, indem eine entsprechende Infrastruktur und Gesetze geschaffen werden. Viertens sollte das vorhandene hervorragende klinische Netzwerk in NRW besser genutzt werden, indem mehr Kollaborationen und interdisziplinäres Arbeiten gefördert werden.  

Moderator Prof. Dr. Holzgreve stellte in seinem Schlusswort die Wichtigkeit des Austausches der verschiedenen Akteure der Gesundheitswirtschaft heraus, um die biomedizinische und biotechnologische Forschung sowie den Übergang in die Anwendung zu beschleunigen: “Das Ziel des Vereins Gesundheitsregion KölnBonn e.V. ist es, den Dialog zu fördern und durch solche Veranstaltungen auch auf Schwierigkeiten aufmerksam machen. So ergibt sich die Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu schaffen und mithilfe anderer Mitglieder im Netzwerk gemeinsam nach Lösungen zu suchen.” Und, den Impuls von Frau Dr. Schulte aufnehmend, beendete er die Diskussionsrunde mit einem Appell an Forscher*innen und Startups aus der Biotech-Szene: “Bleiben Sie optimistisch und verfolgen Sie weiter ihre Ziele!”